In Deutschland, der Schweiz, Italien, Österreich und vielen weiteren Ländern hat die Atomkatastrophe von Fukushima zu einem Umdenken geführt: hier wurden die Laufzeiten für Atomkraftwerke wieder begrenzt und die acht ältesten AKW abgeschaltet. In der Schweiz wurden die Pläne für neue AKW aufgegeben und ein langfristiger Atomausstieg beschlossen. In Italien wurden die Atompläne von Berlusconi mit einem Volksentscheid hinweggefegt. Und Österreich will den Import von Atomstrom sogar ganz verbieten.
Hintergrund: Atomträume seit den 1980ern
Doch nicht überall wurde die Warnung von Fukushima verstanden. In unserem Nachbarland Polen gibt es schon seit den 1980er Jahren Pläne für Atomkraftwerke. In Żarnowiec bei Danzig/Gdansk an der Ostsee wurde 1983 mit dem Bau zweier Reaktorgebäude begonnen. Nach der Katastrophe von Tschernobyl 1986 wuchs der Widerstand in der Bevölkerung und der AKW-Bau wurde 1990 nach einem Volksentscheid endgültig eingestellt – übrig geblieben ist eine teure Bauruine. Ein weiteres AKW mit bis zu vier Blöcken war am Standort Warta Klempicz geplant, in der Nähe von Poznań, keine 200 Kilometer von Berlin entfernt. Der Bau wurde nie begonnen aber die Pläne existierten weiter – bis heute!
Nach jahrelanger Vorbereitung hat die polnische Regierung im November 2009 ein offizielles Programm für die Energiepolitik bis zum Jahr 2030 beschlossen, dass den Bau mehrerer Atomkraftwerke vorsieht. Zunächst wurden verschiedene Standorte an der Oder, also an der deutschen Grenze, bevorzugt, z.B. Gryfino bei Stettin/Szczecin. Dagegen hat sich in Brandenburg die Bürgerinitiative AFLUM (Atomkraftfrei leben in der Uckermark) gegründet. Und auch die Anti-Atom-Demos in Berlin, mit bis zu 100.000 Teilnehmern, haben Eindruck in Polen gemacht, so dass die ersten AKW jetzt etwas mehr Abstand zu Deutschland haben sollen. Auch in Polen ist eine Mehrheit der Bevölkerung grundsätzlich skeptisch gegenüber Atomkraft. Eine große und gut vernetzte Anti-Atom-Bewegung wie in Deutschland gibt es bisher allerdings noch nicht. Kritik gibt es vor allem an den möglichen Standorten. Neben Żarnowiec und Warta Klempicz sind dies Kopań an der Ostsee (bei Köslin/Koszalin) und Nowe Miasto (50km nördlich von Warschau).

Bauruine des AKW Żarnowiec, Foto: CC by Michał Kotas
Grenzüberschreitende Umweltprüfung –
Jetzt Einwendungen schreiben!
Klar ist: Polen braucht eine Energiewende. Bisher wird der Strom fast ausschließlich in Kohlekraftwerken erzeugt. Die Kraftwerke sind alt und ineffizient, Braunkohletagebaue hinterlassen Mondlandschaften. Offiziell will die polnische Regierung mit dem Energieprogramm bis 2030 die Stromerzeugung diversifizieren. Doch erneuerbare Energien spielen darin nur eine Nebenrolle. Über sie werden die klassischen Vorurteile vorgebracht: sie seien zu teuer, unzuverlässig und schädlich für die Natur.
Anfang Oktober wurde ein sogenanntes Grenzüberschreitendes Strategisches Umweltprüfungsverfahren (SUP-Verfahren) begonnen, an dem sich auch die deutsche Öffentlichkeit beteiligen kann. Das Verfahren läuft bis zum 4. Januar 2012. Stellungnahmen können auch in Deutsch gemacht werden, müssen aber an die Behörden in Polen geschickt werden.
Die offiziellen Unterlagen und Adressen stehen auf der Internetseite des Bundesumweltministeriums.
Weitere Informationen stehen auf der Internetseite des BUND Bundesverband: Atomkraft in Polen? Nein Danke!